Die Geschichte des Goju-Ryu Karate-Do

Die Ursprünge des Karate-Do sind sehr komplex und gehen auf verschiedene Wurzeln zurück. Der Legende nach war es Bodhidharma (*440 n.Chr.), Sohn eines indischen Königs, Mitglied der Kriegerkaste, der als Mönch die Verbindung zwischen Meditation und Kampf schuf. Sein Weg führte ihn nach China in die Provinz Henan, wo er das Shaolin-Kloster besuchte. Die Legende sagt, dass er in einer Höhle oberhalb des Klosters neun Jahre bis zu seiner Erleuchtung meditierte und danach anfing, Meditation mit körperlichen Übungen zu verbinden, damit die Mönche die körperliche Belastung des langen Meditierens besser aushalten konnten. Bodhidharma war nicht nur Mönch, sondern auch Krieger und so bildet diese Verbindung von körperlichen Übungen mit kontrollierter Atmung und kontrolliertem Geist den Ursprung verschiedener Kampfsysteme Südostasiens, wie das Quanfa (Kung Fu; jap.: Kempo) und das spätere Karate-Do. 

Aufgrund seiner günstigen geographischen Lage zwischen China und Japan spielt das kleine Inselreich Okinawa in der weiteren Entwicklung der Kampfkünste eine wichtige Rolle. Die Beziehungen zwischen China und Okinawa waren lange Zeit intensiver als mit Japan und so fanden die chinesischen Kampfkünste zunächst ihren Weg nach Okinawa. 

Der einfachen Bevölkerung war über Jahrhunderte (bis ins 18. Jht.) das Tragen von Waffen verboten. Und so entwickelten sich (im Geheimen und streng gehütet) verschiedene, waffenlose Kampfkünste, wie neben dem To-De auch das Okinawa-Te und das Kara-Te.  Daneben entwickelte sich aber auch das Kobudo, welches sich der Alltagsgegenstände und Werkzeuge der Bauern bediente und diese zum gezielten Kampfeinsatz nutze, was von der Obrigkeit schlecht zu unterbinden war. Auch in den modernen Sportwaffen des Kobudo sind diese Ursprünge nach wie vor deutlich zu erkennen. 

Bis ins 19. Jahrhundert wurden die Techniken der Kampfkünste im Verborgenen innerhalb von Familien und vertrauten Kreisen weitergegeben und geübt. Dann erregten im Rahmen eines Musterungsverfahren Rekruten Aufmerksamkeit, die durch ihre gute körperliche Verfassung auffielen und sich als Karateka herausstellten. Meister Itosu wurde daraufhin mit der Erstellung eines Lehrplanes für Rekruten beauftragt und das Karate-Do nahm seinen Weg in die öffentliche Wahrnehmung. 1902 wurde es in Schulen in Okinawa eingeführt und fand seine Verbreitung in Okinawa. 

Anfang des 20. Jahrhunderts nahm das Karate-Do schließlich seinen Weg nach Japan. Funakoshi gründete 1924 sein erstes Dojo in Japan. Er nahm sprachliche Anpassungen ans Japanische vor und änderte auch Namen der traditionellen Kata. Karate-Do wurde schließlich an den Schulen und neben Judo und Kendo auch an Universitäten zu militärischen Zwecken gelehrt. Die von Funakoshi geprägte große Stilrichtung ist das heutige Shotokan. 

Ein weiterer wichtiger Wegbereiter des Karate-Do war Meister Higashionna, der eine Stilrichtung ausbildete, die durch weiche, ausweichende Abwehrtechniken und harte, direkte Konter geprägt war. Aus dieser Linie entwickelte sich schließlich das von Higashionnas Schüler Chojun Miyagi (1888-1953) geprägte und weiterentwickelte Goju-Ryu Karate-Do. 

In Deutschland ist Goju-Ryu maßgeblich von Hanshi Fritz Nöpel (10. Dan) geprägt worden. Fritz Nöpel hat lange Zeit in Japan gelebt und dort bis 1967 bei Tomaharu Kisaki (9. Dan; 1921 – 1996) Goju-Ryu Yuishinkan gelernt. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland hat er es bis zu seinem Tod kontinuierlich weiterentwickelt und auch international etabliert. Fritz Nöpel hat immer die Vielschichtigkeit des Karate-Do hervorgehoben. Selbstverteidigung, die Bunkai der Kata, das Dojokun, die Entfaltung der Persönlichkeit und die Entwicklung als Mensch waren nur einige der Aspekte, die er immer wieder in den Vordergrund rückte. Das Jukurentraining, das Training der Lebensälteren und Erfahrenen, war ihm ein großes Anliegen und er entwickelte eine eigene Kata, die Jukuren no Kata (dtsch. Form der Erfahrenen). 

Goju-Ryu ist neben Shotokan, Wado-Ryu und Shito-Ryu eine der vier großen Stilrichtungen des Karate-Do. Das deutsche Honbu-Dojo des Yuishinkan befindet sich in Kamen.

Foto: Judith Niemann 2019

Quelle (u.a.):

  • Lind, Werner (1997): Okinawa Karate. Geschichte und Tradition der Stile. Berlin: Sportverlag.
  • Lind, Werner (2001): Das Lexikon der Kampfkünste. Berlin: Sportverlag.
  • Melzer, Addy (2015): Nach Altem forschen – das Neue verstehen. Die Entwicklung einer Kampfkunst aus Okinawa zum modernen Karate. 2. überarb. Aufl. Heidelberg: Kristkeitz.